Das Pedelec soll ja im Vergleich zum Auto sehr umweltfreundlich sein. Doch wie umweltfreundlich sind die Bikes wirklich? Und wie hoch ist die Lebensdauer? Wie lange halten Akku und Motor? Wir haben mit Experten gesprochen.
E-Bikes sind eine nachhaltige Alternative zum Auto. Doch wie nachhaltig sind E-Bikes an sich?
Die Großstädte versinken im Verkehrschaos. Immer mehr Pendler fahren mit dem Pkw von den Randbezirken ins Zentrum. Die Folge: Stau. Gestank. Feinstaubbelastung. Lärm. Dabei beträgt die durchschnittliche Streckenlänge von Pkw und Motorrädern nur 16,3 Kilometer, wie eine Studie des Umweltbundesamts konstatiert. Solch kurze Distanzen sind prädestiniert für E-Bikes; sie können solche Strecken locker unter einer Stunde schaffen, ohne Abgase auszustoßen. Sind sie deshalb auch gleich umweltfreundlich?
E-Bike versus Pkw
Tatsächlich bringt ein Pedelec aus umwelttechnischer Sicht viele Vorteile gegenüber dem Pkw mit sich. Laut einer Studie des Instituts für Energie und Umweltforschung in Heidelberg von 2015 wurden immerhin 45 Prozent der Pedelec-Kilometer zuvor mit dem Auto gefahren. Demnach würden die Elektroräder also eindeutig zur Verkehrswende beitragen. Während E-Bikes je 100 Kilometer nur 0,56 Kilogramm CO2 ausstoßen, kommen Pkw zum Teil auf das 36-Fache. Pro Pedelec-Kilometer lassen sich somit 190 Gramm CO2 einsparen.
Ein weiteres Problem der Großstädte ist die hohe Stickoxidbelastung. 64 Prozent der urbanen Emissionen verursacht der Kraftfahrzeugverkehr. Etwa vierzig Prozent der Messstationen, so die Studie, registrierten eine Überschreitung der Grenzwerte von 40 Mikrogramm des lungenschädlichen Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Radfahren hingegen, mit oder ohne Motor, erzeugt in den Städten keine Stickoxide, auch die Feinstaubbelastung ist überaus gering.
Hinzu kommt der hohe Platzbedarf eines Pkw, ob nun fahrend oder geparkt. Auf einen Autoparkplatz passen etwa zehn (E-)Bikes. Das Pedelec ist somit definitiv eine umweltfreundliche Alternative zum Auto – sofern es eine solche Fahrt ersetzt.
Die lange Reise des Akkus
Ökologischer Schwachpunkt der Elektrofahrräder sind deren Lithium-Ionen-Akkus. Der Abbau von Lithium verursacht große Umweltschäden. Etwa in Chile, einem der größten Lithium-Lieferanten, wird dafür Wasser aus den Salzseen gepumpt, das anschließend verdunstet. Dadurch sinkt der Grundwasserspiegel in der Region enorm, mit dramatischen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Auch die in Akkus enthaltenen Metalle Kobalt und Nickel werden zum Teil unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut.
Bei der Herstellung der Akkus, meist in China, entstehen wiederum hohe CO2-Emissionen. Das Umweltbundesamt spricht von 55 bis 75 Kilogramm CO2, die pro Kilowattstunde in der Produktion anfallen. Gängige 500 Wattstunden fassende Akkus kommen also auf mindestens 27,5 Kilogramm. Dieser CO2-Ausstoß ist aber bereits nach 150 E-Bike-Kilometern ausgeglichen, sofern das Auto dafür stehen bleibt.
Damit das wertvolle Material nicht umsonst einmal um die Welt reist, sind lange Akku-Lebenszeiten wichtig. Hersteller sind verpflichtet, eine zweijährige Gewährleistung auf den häufig über 500 Euro teuren Akku zu geben. Das heißt, der Kunde erhält im Falle eines vom Hersteller verschuldeten Defekts ein Austauschprodukt. Nach dem sechsten Monat kehrt sich die Beweislast jedoch um. Dann muss der Kunde beweisen, dass er nicht schuld ist – schwierig.
Hannes Neupert, E-Bike-Experte und Geschäftsführer von ExtraEnergy, versichert uns jedoch: „Akkus können extrem lange halten. Die Haltbarkeit hängt aber stark von dessen Umgebung ab.“ Die größten Feinde der Akkus sind Hitze und Kälte. Temperaturen über 30 und unter 0 Grad sollten unbedingt vermieden werden. Das aber stellt bei Fahrrädern mit integrierten, nicht entnehmbaren Akkus ein Problem dar. Auch Ernst Brust, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands, hält Akkus für langlebig: „Es gibt welche, die 1000 Ladezyklen aushalten.“ Bei einer Laufleistung von 60 Kilometern pro Akkuladung ohne Kapazitätsverluste wären das 60 000 Kilometer Gesamtlaufleistung – eine Distanz, die die meisten Radfahrer nicht in zehn Jahren fahren. Sollte der Akku defekt sein oder kaum noch Kapazität haben, kann er beim Händler abgegeben werden. Von dort aus geht er ins Recycling. „Der Akku kann zu 80 oder 90 Prozent aufbereitet werden“, sagt Ernst Brust. Dazu, wie gut das funktioniere, gebe es aber noch keine Statistiken. Auch seien die Recycling-Firmen bislang rar gesät.
Vom so genannten Refreshen, bei dem defekte Akkuzellen ausgetauscht werden, rät Ernst Brust dringend ab. „Die Refresher bauen Zellen ein, die vielleicht überhaupt nicht zusammenpassen.“ Im schlimmsten Fall würden solche Akkus explodieren.
Wann macht der Motor schlapp?
Was oft vergessen wird: Nicht nur die Akkus können kaputtgehen, auch die Motoren haben kein ewiges Leben. Die sind mit einem Kaufpreis von etwa 700 Euro ebenfalls alles andere als billig. Alexander Hanisch aus Esslingen war selbst von Motordefekten betroffen. „2015 habe ich mir ein Pedelec mit Impulse-Motor gekauft, um damit 25 Kilometer zur Arbeit zu fahren“, erzählt er. Der Motor habe während eines Jahres fünfmal den Geist aufgegeben. Daraus entstand die Idee, einen Blog zu starten (www.pedelecmonitor.com), in dem Erfahrungswerte zu Motoren und deren Laufleistung gesammelt werden.
Der Impulse-Motor wurde bereits vom Markt genommen, das Projekt lebt jedoch weiter. Mittlerweile haben mehr als 400 Menschen ihre Kilometerleistungen eingetragen. Natürlich ist eine solche Plattform nicht repräsentativ, doch lassen sich Tendenzen erkennen. Der Panasonic-Motor, hauptsächlich in E-Bikes von Flyer zu finden, schneidet dort mit besonders hohen Laufleistungen ab. Die als defekt gemeldeten Motoren hatten zuvor durchschnittlich etwa 23000 Kilometer absolviert.
Andere Hersteller kommen in der Datensammlung auf deutlich weniger. Aktuell setzt Flyer in seinen E-Bikes neben Panasonic- auch Bosch-Motoren ein. Auf der Homepage stellen wir fest, dass Flyer vorbildlicherweise eine Garantie auf Motor, Akku und Rahmen gibt. Für 190 Euro extra bietet der Hersteller sogar eine Premiumgarantie an, mit der die Elektronik bis zu vier Jahre oder 12 000 Kilometer abgesichert ist – je nachdem, was zuerst eintritt. Anmerkung: Noch 2019 gewährte Flyer allerdings auf alle E-Bikes mit Ausnahme der E-Mountainbikes eine Garantie von fünf Jahren, ohne Kilometerlimit.
12 000 Kilometer erreichen manche Pendler schon innerhalb eines Jahres. Auf unsere Nachfrage erläutert Marketingleiterin Anja Knaus: „Wir gehen davon aus, dass der durchschnittliche E-Bike-Fahrer weniger als 2000 Kilometer pro Jahr zurücklegt. Wir beziehen uns bei diesem Wert auf 25 Jahre Erfahrung im Verkauf von E-Bikes.“ Dennoch: Sieht so das Vertrauen ins eigene Produkt aus? Auch Ernst Brust zeigt sich überrascht: „20- bis 30 000 Kilometer muss so ein Motor schon halten.“
Bei unserer Recherche stoßen wir auf die Webseite des selbsternannten E-Bike-Doktors (www. ebike-doktor.de). E-Bike Doktor Berens erklärt uns, dass sie die erste freie Werkstatt in Deutschland seien, die Motoren repariere und Ersatzteile verkaufe. Von Bosch und Brose gebe es Reparaturkits für geschulte Händler, doch würden diese lediglich 40 Prozent der Motorteile abdecken. Alle anderen Teile müssten sie selbst herstellen lassen.
„Wir sind hoffnungslos überlaufen“, sagt Berens, „der Bedarf ist riesig“. Die Leute würden beim Händler hören, dass der Motor 800 Euro koste, mit Umbau nicht selten 1000. „Wenn ich denen dann sage ‚im worst case 250 Euro‘, dann machen die einen Luftsprung. Und ich verdiene noch dabei.“
Wie lange hält das E-Bike nun?
200 Motoren hätten sie bereits repariert. Der entscheidende Faktor für die Lebensdauer sei die Wassermenge, die an die Kurbelwelle gelange. Bei Rädern, die nur bei schönem Wetter genutzt werden, sehe der Motor innen teilweise selbst nach 40 000 Kilometern noch bestens aus. „Das Kontrastbeispiel sind E-Mountainbiker, die dreimal wöchentlich durch den Schlamm fahren und anschließend mit einem Schlauch ihr Rad abspritzen.“ Diese Motoren seien oft schon nach 3000 Kilometern defekt. Berens betont, dass selbst Brauseköpfe schon zu viel seien. Die vierte Generation des Bosch-Motors sehe besser als die Vorgängerserie aus, aber es würden Erfahrungswerte fehlen. Die Motoren befänden sich ja derzeit noch in der Garantiephase.
Stichwort Garantie: Hier gehen die niederländischen Hersteller Batavus und Sparta mit gutem Beispiel voran. Beide bieten für einen Aufpreis von 189 Euro eine sogar beim Verkauf übertragbare Fünf-Jahres-Garantie an, die unter anderem Motor und Akku abdeckt.
Ein weiteres gutes Beispiel für Nachhaltigkeit im E-Bike-Bereich ist der Hersteller Utopia Velo aus Saarbrücken. Sämtliche Ersatzteile lassen sich direkt im Online-Shop bestellen. „Ich habe sogar noch Teile für Räder von vor 20 Jahren“, erzählt Inhaber Ralf Klagges. Ihm ist es wichtig, dass die Bauteile kompatibel bleiben, ohne dabei den technischen Fortschritt aufzuhalten. Die Pedelecs sind mit einem extrem wartungsarmen, kräftigen Frontmotor ausgestattet, von denen laut Klagges bisher noch keiner defekt gewesen ist. Die höchste bekannte Laufleistung: 130 000 Kilometer. Innovativ und einzigartig: Der Akku lässt sich dank integrierter SIM-Karte fernwarten und bei Diebstahl orten.
Seit einigen Jahren kann das Nachhaltigkeitssiegel Blauer Engel an Elektroräder vergeben werden. Im Fokus steht unter anderem die Ersatzteilverfügbarkeit für fünf Jahre. Auf Nachfrage teilt uns das Umweltbundesamt mit, dass noch kein vollständiger Antrag eingegangen sei. Experte Hannes Neupert hält Utopia Velo für den einzigen Hersteller, der diese Anforderungen an Nachhaltigkeit problemlos erfüllen kann.
Quelle: https://www.bike-bild.de/service/kaufberatung/e-bikes-nachhaltig-lebensdauer-1108107.html